t e x t a r c h i v

I n h a l t

Bildbericht über meine Fotos vom Spitalgarten, 2019

Kolumne über den Umbau unserer Küche, 2007

Weltwoche-Artikel über Pfarrer-Inserate, 1999

Steve Jobs besucht Basel, 1993

Gazzetta, Ausgabe 2 / 2019

Die Mitarbeiterzeitung des Universitätsspitals Basel bringt

meinen Bildbericht über die Fotos vom Spitalgarten.

Basellandschaftliche Zeitung, 29. Oktober 2007

Kolumne «Persönlich»

 

Walter Brunner

 

Teurer, mühsamer und viel schöner

 

Die Bodenplatten in unserer Küche klingelten jedes Mal, wenn jemand drauftrat. Wie ein Keramik-Xylophon. Sie hatten sich im Laufe der Zeit gelockert. Ich habe sie wieder angeklebt, aber nach kurzer Zeit waren sie erneut lose und klingelten wieder ihre spezielle Melodie, wenn jemand durch die Küche ging. Manchmal lag eines der Bodenplättchen sogar schief, und einmal hat eines unserer Kinder sich daran einen Zeh blutig geschlagen. So habe ich die Plättchen herausgerissen, etwa ein Dutzend, und die Stelle einfach mit Zement aufgefüllt. Aber auch das half nichts. Bald zeigten sich Risse im Zement und er begann zu bröckeln. Nun klingelte es im Staubsaugerschlauch, sobald sich jemand damit in der Küche zu schaffen machte.

 

Wir entschlossen uns, das Problem endgültig zu lösen und einen Fachmann auf die Plättchen loszulassen. Dieser machte uns unmissverständlich klar, was wir ohnehin schon ahnten: Man kann nicht einfach die losen Plättchen ersetzen, sondern man muss den Boden erneuern. So rissen wir die Küche heraus und entfernten sämtliches Mobiliar und alle Heizkörper. Dann entfernten wir alle Plättchen und die Zementschicht darunter, ein paar Kubikmeter Schlacke und ein paar Bretter. Wobei einige Bretter nur noch aus Sägemehl bestanden. Der Zahn der Zeit, oder wohl eher die Zähne der Holzwürmer haben sie zernagt (haben die Zähne?). Auch die Balken hatten teilweise die Festigkeit von Teegebäck angenommen. Uns blieb nichts anderes übrig, als das angrenzende Badezimmer auch herauszureissen, ebenso die Speisekammer und die zwei Zwischenwände. Denn die standen dummerweise auf dem gleichen Boden, auf dem sich die Plättchen gelockert hatten.

 

In nur einer Woche hatten wir in Küche, Laube, Badezimmer und Speisekammer keinen Boden mehr. Nur noch Balken und eine fünf Millimeter dicke Gipsdecke. In kurzer Zeit bauten uns die Handwerker neue Balken ein und einen neuen Boden, der genau waagrecht liegt. Ich erhielt die Rechnung und bezahlte sie umgehend. Das konnte ich, weil dieser Betrag budgetiert war. Aber ein Boden allein macht nicht glücklich. Und wenn schon die Küche und das Badezimmer samt den Wänden verschwunden sind: Sollen wir das alte Zeug wieder einbauen oder die neue Raumeinteilung einer neuen Nutzung zuführen? Gleich die Küche vergrössern und das Badezimmer an eine andere Stelle versetzen? Wir entschlossen uns zu einem grösseren Umbau. Aber meine Ferien waren vorbei, ich konnte mich nicht mehr wirklich darum kümmern Und wer soll das bezahlen?

 

Da schlug die Stunde meiner Frau. Sie entwickelte sich über Nacht zur Bauführerin, telefonierte mit den Handwerkern, holte Offerten ein, koordinierte die Arbeiten bis ins Detail. Und es gelang ihr, die Finanzierung auf die Beine zu stellen. Jetzt, wo es draussen wieder kälter ist, haben wir auch die Heizkörper wieder einbauen und einschalten können. Wenn alles klappt, erhalten wir in diesen Tagen eine neue Küche und ein neues Badezimmer. Die Speisekammer musste ins Gras beissen. Der ganze Umbau war viel aufwändiger und mühsamer als wir dachten. Und teurer. Das Ergebnis wird dafür auch schöner. Ziel erreicht: Wir haben ein Dutzend Bodenplättchen ersetzt.


Weltwoche, 13. Mai 1999

Analyse von Stelleninseraten, mit denen Geistliche gesucht werden

 

Walter Brunner

 

Suche Pfarrer, biete Weinberg

 

So müssen die Kirchenleute sein: kirchenverbunden wie ein Opferstock. Konfliktfähig wie Obelix. Erfahren wie Methusalem. Kontaktfreudig wie Sekundenkleber. Arbeitsam wie ein ganzes Bienenvolk. Offen wie ein Internetanschluss. Die Priester, Pfarrerinnen, Prediger, diakonischen Mitarbeiterinnen, Katecheten und Pastoralassistenten sollten studiert sein wie theologische Einsteins und doch so volksnah, dass sie den Bauern neben dem Misthaufen ansprechen können. Wenn man den Stelleninseraten in den kirchlichen Publikationen glauben darf, sind in den Gotteshäusern der Schweiz lauter Alleskönner am Werk.

 

Die evangelische Kirche Schönenwerd verlangt von ihrem neuen Seelsorger folgende Eigenschaften: «Tolerant, offen, ehrlich, kontaktfreudig, kommunikativ, volksnah, ausgesprochen team- und organisationsfähig, belastbar, konfliktfähig.» Mit Ansprüchen wie «belastbar, konfliktfähig» wird nach Leuten gesucht, wenn in der Kirchgemeinde die Fetzen fliegen. Eine Stelle für einen Kamikaze-Seelsorger. Ein ähnlicher Indikator ist die Formulierung «Offenheit für verschiedene theologische Prägungen». Fast klar, dass sich in dieser Gemeinde die Fundis und die Liberalos die Köpfe einschlagen.

 

Die Katholiken in Therwil/Biel-Benken stehen zu ihren Auseinandersetzungen: «Wir suchen in einer Phase des Neubeginns unseren Pfarrer...» Er «sollte ein offenes Ohr haben für die Bedürfnisse der verschiedenen Gruppierungen», sprich keine Partei provozieren. Mit einem Ablenkungsmanöver wird der Blick auf die Sehenswürdigkeiten gelenkt: «Die schöne Barockkirche und das stattliche Pfarrhaus prägen den Dorfkern in Therwil.» Kein Wort davon, dass in einer Blitzaktion der ganze Kirchenrat abgewählt worden war und der Streit unter der Oberfläche weiterbrodelt.

 

Am ehrlichsten lassen die Reformierten in Ebikon durchblicken, dass es bei ihnen Probleme gibt. Das Inserat liest sich wie eine Todesanzeige: «Unser Sprengel (Duden: «Amtsgebiet eines Pfarrers, veraltend») hat nach dem Pfarrer auch die gesamte Kirchenpflege verloren und steht vor einem Neuanfang.» Der Todesanzeigen-Charakter wird noch verstärkt, weil «eine Verweserin oder ein Verweser» (Duden: «veraltet für Stellvertreter») gesucht wird.

 

In Binningen-Bottmingen wurde bis auf eine Person die ganze Kirchenpflege abgewählt. Dann brachte die Pfarrwahlkommission ein Inserat mit folgenden Stichworten: «Unterwegs - Fragen - Achten - Lustvoll - Streiten - Kritik ertragen - 'Zämmeschaffe' - Lachen - Purzelbäume schlagen - 'Zueloose' - Lebendig - Nicht alle Menschen sind gleich - Grenzen respektieren, auch eigene - Beobachten - Lernen.» Welche dieser Wörter passen nicht zu einer Pfarrwahl? Genau sie haben in Binningen-Bottmingen gleich nochmals für Unruhe gesorgt.

 

Die Kirchgemeinde Salez-Haag erwartet von ihrem Geistlichen eine «dogmenfreie Auslegung des Evangeliums». Wozu schlagen sich Theologiestudierende semesterlang mit Dogmatik herum? Damit sie wissen, was sie nicht predigen dürfen. Bei solchen Anforderungen ist nur eines sicher: Es ist eine schwierige Aufgabe zu bewältigen. Beispielsweise Neues anzureissen, ohne das Alte anzutasten. Das liest sich in den Inseraten so: Wir erwarten «die Bereitschaft, Neues einzubringen und Bewährtes weiterzuführen».

 

Ein grosser Teil der Inserate liest sich wie ein Immobilienprospekt. Die Seelsorger werden mit Ländereien und Liegenschaften geködert, als müssten sie eine Kolonie in Afrika verwalten. «Geräumiges Pfarrhaus mit Umschwung an ruhiger Lage» ist ein Standardsatz. Das gilt es zu überbieten, etwa mit «neu renoviertes Pfarrhaus» - als wäre jemals ein Pfarrhaus alt renoviert worden. Das Wort «schön» findet sich so oft in den Inseraten wie der Wurm in den Kirchenbänken. Manche haben das gemerkt und werben deshalb mit «wunderschön». So preist die Kirchgemeinde Siselen-Finsterhennen das «wunderschöne Seeland des Kantons Bern» an und ein «prächtiges Pfarrhaus mit grossem Umschwung».

 

In einem anderen Inserat heisst es: «Hallau liegt in schöner, ländlicher Gegend am Fusse der Rebberge.» Hier wird offensichtlich ein Önologe gesucht, kein Theologe. Noch deutlicher winkt Schaffhausen-Buchthalen mit dem Zapfenzieher: «Wir bieten ein geräumiges Pfarrhaus mit Blick auf den Rhein und den kircheneigenen Rebberg.»

 

Es gibt auch überraschende, ungewöhnliche Inserate. Ossingen ZH versucht es mit einem satirischen Touch: «Für unsere mehr oder weniger in der Kirche anwesenden Gemeindeglieder suchen wir...» Eine andere Gemeinde will den Geistlichen mit Haut und Haar, denn er soll «Zeit, Leben und Brot» mit seiner Gemeinde teilen. Salopp und zupackend geben sich die Katholiken in Sulgen TG: «Sind Sie ein Einzelkämpfer? Wir nicht!» Weiter unten im Text heisst es: «Bitte nicht lesen!», dann folgt das Kleingedruckte. Wer es doch lese, sei die richtige Person, denn: «Unsere Gemeinde ist genau so aussergewöhnlich wie dieses Inserat»


Handelszeitung, 18. Februar 1993

Steve Jobs präsentierte in Basel seine NeXT-Computer. Wenige Tage später war NeXT am Ende.

 

Walter Brunner

 

Steve Jobs' Höhenflug kurz vor dem Absturz

 

«Hi, ist es ok, wenn ich englisch rede?», begrüsst Jobs das 80-köpfige Publikum. Es ist. Fast beiläufig stellt er sich zu den aufgebauten Computern und will mit seiner Präsentation beginnen. Doch auch er muss mit dem Demo-Effekt leben: Wenn es darauf ankommt, klappt die Sache nicht. Jobs wartet unwillig, bis eine wuselnde Gruppe von Technikern weitere Geräte angeschlossen, Kabel gesteckt und Tests gemacht hat. Dann entschwindet das gedämpfte Licht ganz und wir sehen nur noch das grosse Computerbild auf der Leinwand. Jobs steht davor, als gestikulierender Schattenriss.

 

Mit ausgeprägtem Sendungsbewusstsein verkündet er seine Botschaft. Keine Spur von Selbstzweifeln oder Minderwertigkeitsgefühlen. Jobs zählt die Epochen auf, die er mitbestimmt hat. Mit dem Apple-Computer prägte er die 70er-Jahre, mit dem Macintosh die 80er-Jahre. Und macht klar, welches Gerät die 90er-Jahre prägen wird: NeXT. Jobs sieht sich nicht nur als Techniker, der Maschinen austüftelt, sondern als eine Art Heilsbringer. Er will der Menschheit epochemachende Werkzeuge verschaffen wie das Fahrrad. «Der Computer ist ein Fahrrad für das Hirn», sagte er in einem Interview.

 

In Amerika wird Jobs als Henry Ford des Computers bezeichnet, weil er den PC genauso jedermann zugänglich machte wie Henry Ford seinerzeit das Auto. Mit der Maus fasst Jobs eines der brillanten und scharfen Farbfotos auf dem Bildschirm. Rasch bewegt er es auf der grossen Leinwand hin und her, wie der Blitz, man sieht es und staunt. «Sehen Sie», sagt Jobs, «auf Macintosh oder IBM würde das eine Woche dauern.» Die ersten Lacher im Saal. Jobs führt seine Tabellenkalkulation vor, verändert rasch die Anordnung, setzt neue Teile ein, kopiert aus einem Wörterbuch. Zwischendurch zieht er das Jackett aus und krempelt die Hemdsärmel hoch. So simpel ist das alles! Jobs wiederholt es wie einen Refrain: «It’s pretty simple. Hopp, und das legen wir hier ab, das kopiere ich hinüber, es ist ganz leicht.» Geschickt baut er die Ängste ab, die das komplizierte Betriebssystem Unix bei manchen geweckt haben könnte: «Mit NeXT bewegen sich viele locker in der Unix-Welt – und sie wissen es nicht einmal.» Und fügt, nachdem er gerade mit einer bestechenden Leistung alle verblüfft hat, schnippisch hinzu: «Make sense?» Macht das Sinn?

 

Die nächste Computer-Revolution kommt bestimmt. Früher hat der PC einzelne Arbeitskräfte unterstützt, aber in Zukunft muss der Computer die Leistungsfähigkeit von ganzen Teams erhöhen. Das ist Jobs Credo. Der Computer muss teamfähig werden. Er zeigt sofort, was er damit meint und bastelt live einen Prospekt. Den Titel kopiert er aus einem anderen NeXT-Computer, den Text aus einem IBM-PC, das Foto von einem Macintosh, die Grafik aus einer Sun-Workstation. Der Anwender merkt dabei gar nicht, mit wie vielen Programmen, Systemen und Geräten er es zu tun hat. Steve Jobs macht klar: Für diese zukünftige Art von Computereinsatz gibt es nichts besseres als NeXT: «Wir haben einen Vorsprung auf die Konkurrenz von etwa fünf Jahren.» Plötzlich wird die Leinwand schwarz. Langsam ruckeln Zahlen und englische Abkürzungen den Bildschirm hoch: Das typische Erscheinungsbild eines IBM-PCs. Jobs: «Die PCs sind mies gebaut, haben ständig Pannen und sind lärmig. Aber Sie müssen sie ja nicht kaufen! Sie haben die Wahl.» Die NeXT-Präsentation ist vorüber.

 

Das Licht geht an, das Publikum stellt ein paar Fragen. Jobs trinkt Mineralwasser, geht beim Sprechen im Raum umher und trommelt nervös auf den Projektor, wenn ihm eine Frage zu langfädig daherkommt. Es fällt ihm leicht, weiter den siegesgewissen Kreuzritter zu spielen. Seine Show hat die Leute im Saal überzeugt – oder wenigstens verblüfft. Der Demo-Computer im schwarzen Gehäuse ist nur wenig grösser als ein Telefonbuch und trotzdem deutlich schneller als viele Konkurrenten. Jobs: «Unsere Programme sind so schnell, dass sie sogar auf einem langsamen Gerät schneller sind als bei der Konkurrenz.»